Aktuelle Informationen zu arbeitsrechtlichen Fragestellungen

Wie sich den Medien entnehmen lässt, werden derzeit verschiedene Maßnahmen ergriffen, um die Verbreitung des „Coronavirus‘“ einzudämmen. Dieses kann insbesondere auch im arbeitsrechtlichen Bereich Handlungsbedarf auslösen. Da eine dieser Maßnahmen die nunmehr in allen Bundesländern geltenden Schließungen von Schulen etc. ist, nehmen wir die Gelegenheit zum Anlass, um verschiedene arbeitsrechtliche Aspekte darzustellen, wobei auch die speziell in unserer Branche gegebenen Umstände berücksichtigt werden.

Im Mittelpunkt der nachfolgenden Darstellungen stehen insbesondere die finanziellen Auswirkungen.

1. Allgemeiner Überblick
Einen guten Überblick über verschiedene arbeitsrechtliche Umstände in diesem Zusammenhang hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) in Form von „FAQs“ veröffentlicht. Zu der entsprechenden Veröffentlichung gelangt man über folgenden Internet-Link: www.bmas.de/DE/Presse/Meldungen/2020/corona-virus-arbeitsrechtliche-auswirkungen.html

2. Branchenspezifische Besonderheiten / a-vero-Tarifverträge / ergänzende Hinweise
Zu beachten ist, dass das BMAS freilich nicht auf spezifische Umstände eingehen kann, welche in Tarifverträgen geregelt sind. Bezüglich ausgewählter Fragen werden diese Besonderheiten im Nachstehenden dargestellt. Darüber hinaus werden zu den einzelnen Ausführungen des BMAS ergänzende Hinweise dargestellt.

Wichtig: Die tarifvertraglichen Regelungen, die sog. kollektivrechtliche Vereinbarungen darstellen, bewirken nur dann Abweichungen/Besonderheiten, wenn der jeweilige Tarifvertrag auf das konkrete Arbeitsverhältnis anwendbar ist. Diese Frage (die Frage der Anwendbarkeit) folgt den allgemeinen arbeitsrechtlichen Regeln („Stichworte“: Mitgliedschaft des Arbeitgebers im Verband mit dem Status „mit Tarifbindung“ und gleichzeitige Mitgliedschaft des Arbeitnehmers in der zuständigen Gewerkschaft und/oder individualvertragliche Vereinbarung, dass der entsprechende Tarifvertrag gelten soll, sog. „Inbezugnahme“).

a. Zu der Frage: „Habe ich einen Anspruch darauf, von zu Hause aus (im Homeoffice) zu arbeiten? Sollte eine solche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber (AG) und Arbeitnehmer (AN) geschlossen werden, sollte deutlich vereinbart werden, wie lange für den AN diese Möglichkeit bestehen soll und ggf. auch, ob bzw. inwieweit der AG Kosten übernimmt. Insbesondere diese beiden Fragen sollten „beweissicher“ dokumentiert werden.

b. Zu der Frage: „Kann ein Unternehmen bei Arbeitsausfällen wegen des Coronavirus Kurzarbeitergeld bekommen?“ Da der Gesetzgeber im Moment mit Hochdruck daran arbeitet, (zusammengefasst) Erleichterungen beim Kurzarbeitergeld zu regeln, werden wir auf diesen Punkt mit gesondertem Rundschreiben zurückkommen. An dieser Stelle sei bereits jetzt darauf hingewiesen, dass derzeit noch nicht abschließend geklärt ist, ob die geplanten Erleichterungen – die teilweise mit erheblichen finanziellen Entlastungen für den AG einhergehen können – auch auf Kurzarbeitsfälle anwendbar sein werden, die vor dem Inkrafttreten der Erleichterungen begonnen haben. Daher erscheint es – freilich abhängig von den konkreten Umständen im konkreten Betrieb – möglicherweise ratsam zu sein, mit der Einführung von Kurzarbeit noch etwas zuzuwarten. Wir werden Sie natürlich schnellstens informieren, wenn uns belastbare Neuigkeiten bekannt gemacht werden.

c. Zu der Frage: „Was passiert, wenn mein Kind nicht krank ist, aber die Kita/Schule meines Kindes (länger) geschlossen wird und ich keine andere Betreuung für das Kind habe? Muss ich Urlaub nehmen?“ Das BMAS stellt dar, dass der AN in diesem Fall unter den dort genannten Voraussetzungen (Stichwort insbesondere: „keine andere Betreuungsmöglichkeit“) nicht zur Arbeit erscheinen muss („Freiwerden von der Leistungspflicht“). Damit ist aber noch nicht geklärt, ob der AN für die entsprechende Zeit bezahlt oder unbezahlt freigestellt ist. Das BMAS stellt dar, dass sich ein solcher Anspruch aus § 616 BGB ergeben kann (Anmerkung: der Wortlaut von § 616 BGB kann eingesehen werden unter: www.gesetze-im-internet.de/bgb/__616.html).

Wichtig: Wichtig ist insoweit die Darstellung des BMAS, dass § 616 BGB durch arbeitsvertragliche oder tarifvertragliche Vereinbarungen eingeschränkt sein kann. Wir nehmen dieses zum Anlass, um auf diese Frage näher einzugehen (Anmerkung: bitte beachten Sie, dass die bezahlte Freistellung, für die § 616 BGB gelten kann, nicht gleichzusetzen ist mit „echtem“ Urlaub!):

In den a-vero-Tarifverträgen finden sich vielfach Regelungen zur bezahlten Freistellung bei diversen persönlichen Ereignissen (z.B. Todesfällen im Familienkreis, Gerichtsterminen, Arztbesuchen etc.). Wir sind der Ansicht, dass diese Fallkonstellation (Schließung von Schule/Kita) unter keine der in den a-vero-Tarifverträgen geregelten Fälle für bezahlte (!) Freistellung von der Arbeitspflicht fällt.

Es stellt sich sodann die Frage, was es bedeutet, wenn ein Tarifvertrag zwar Regelungen zu Arbeitsausfällen wegen verschiedener – zusammengefasst – persönlicher Ereignisse enthält, jedoch der konkret betroffene Fall (Schließung von Schule/Kita) gerade nicht geregelt ist, also konkret, ob wegen des Vorhandenseins tariflicher Regelungen diese abschließend sind, oder ein Arbeitnehmer trotzdem für diesen Fall einen Anspruch auf bezahlte Freistellung auf § 616 BGB stützen kann.

Wir vertreten hier die Ansicht, dass die tarifvertraglichen Regelungen zu den – zusammengefasst – persönlichen Ereignissen abschließend sind. Das bedeutet, dass zwar die Fälle, die tariflich geregelt sind, eine bezahlte Freistellung nach sich ziehen, aber eben auch nur diese Fälle, zu denen unserer Ansicht nach die Fallgruppe der Schließung von Schule/Kita nicht zählt (s.o.). Das bedeutet, dass – unserer Ansicht nach – ein Rückgriff auf § 616 BGB nicht zulässig ist. Besonderheit: Rahmentarifvertrag für das Betonsteingewerbe NRW:

In § 6 II. Ziffer 1. des vorgenannten Rahmentarifvertrages (RTV) heißt es im Wortlaut: „Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf bezahlte Freistellung von der Arbeit ohne Anrechnung auf den Urlaub bis zu maximal 3 Arbeitstagen in einem Zeitraum von 2 Jahren (Blockzeit), wenn er jeweils nachweist, dass familiäre oder besondere persönliche Gründe hierfür vorliegen (…). Als Gründe gelten u. a. folgende aufgeführte Fälle: (…)“ Das bedeutet, dass hier die in dieser Bestimmung näher aufgeführten Fälle nicht abschließend sein dürften, da die Wendung „u. a.“ gegeben ist. Allerdings müsste sich die Arbeitsverhinderung wegen der Schließung der Schule/Kita als ein „familiärer oder besonderer persönlicher Grund“ darstellen. Ob dieses vorliegend so zu sehen ist, ist in den tariflichen Beispielsfällen nicht explizit geregelt. Allerdings ist dem Umfang nach in dieser tariflichen Regelung eine Obergrenze enthalten, nämlich von „maximal 3 Arbeitstagen in einem Zeitraum von 2 Jahren (Blockzeit)“. Zu prüfen ist in diesem Fall dann auch die Frage, ob der konkret betroffene AN in der Blockzeit schon einmal bezahlte Freistellung wegen der übrigen in § 6 II. Ziffer 1 RTV genannten Fallgruppen erhalten hatte.

Bitte beachten Sie: Soweit uns bekannt ist, liegt konkret bezogen auf die a-vero-Tarife insoweit keine gerichtliche Entscheidung vor, sodass nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein etwaig angerufenes Arbeitsgericht diese Frage abweichend beurteilt.

Vorsicht: Eine Anspruchsgrundlage für eine bezahlte Freistellung kann abseits eines Tarifvertrages oder § 616 BGB freilich auch eine konkrete „Zusage“ des AG sein. Der AG sollte daher sicherstellen, dass gar nicht erst der Anschein erweckt wird, die Freistellungszeit in dieser Konstellation zu bezahlen, wenn er dieses nicht – ggf. auf freiwilliger Basis – möchte.

Praxistipp: Als Lösungsmöglichkeit für diese Konstellation (Schließung von Schule/Kita) kommt – wie auch durch die Frage des BMAS impliziert – in Betracht, dass der entsprechende AN „echten“ (dann bezahlten) Urlaub nimmt, soweit der entsprechende AN einen ausreichenden Urlaubsanspruch hat. Für den Fall, dass beim jeweiligen AG eine Arbeitszeitkontoregelung zur Anwendung kommt, ist eine weitere denkbare Lösungsmöglichkeit, eine bezahlte Freistellung unter Abbau von Arbeitszeitkontoguthaben zu vereinbaren.

Achtung: Aufgrund von „negativen“ Erfahrungen in der jüngsten Vergangenheit ist es unserer Ansicht nach dringend ratsam, den vom AN etwaig geäußerten Wunsch nach Freistellung unter Abbau von Arbeitszeitkontoguthaben oder nach „echtem“ Urlaub beweissicher (!) zu dokumentieren. Rein mündliche „Vereinbarungen“ sollten vermieden werden, sondern stattdessen z. B. Urlaubsanträge oder sonstige schriftliche Dokumente genutzt werden!

Für den Fall, dass im konkreten Arbeitsverhältnis keine tarifvertraglichen Regelungen anwendbar sein sollten, ist ein Rückgriff des AN auf § 616 BGB grundsätzlich möglich.

Wie das BMAS richtig darstellt, ist § 616 BGB oftmals jedoch auch in den jeweiligen Arbeitsverträgen ausgeschlossen. Ob dieses der Fall ist, hängt freilich von den konkreten Klauseln im konkreten Arbeitsvertrag ab. Daher sollte der Wortlaut des individuell betroffenen Arbeitsvertrages geprüft werden. Wenn z. B. nicht explizit § 616 BGB erwähnt wird, kann ein Hinweis auf den Ausschluss auch darin gesehen werden, dass es z. B. heißt: „Grundsätzlich wird nur tatsächliche Arbeitszeit bezahlt (…)“ oder ähnlich. Wie gesagt: es besteht starke Abhängigkeit vom Wortlaut im Arbeitsvertrag. Sollte unter Berücksichtigung des Vorstehenden § 616 BGB anwendbar sein/bleiben, ist zu beachten, dass Voraussetzung für den Anspruch auf Bezahlung nach diesem Paragrafen unter anderem (!) ist, dass es sich um eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ handelt. Dieses wird so verstanden, dass bei Vorliegen einer erheblichen Zeit der Anspruch auf Vergütung insgesamt (!) entfällt und nicht nur für den Zeitraum, der größer ist als eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“.

Maßgeblich dürfte damit sein/werden, wie lange der konkret betroffene AN wegen der Schließung von Schule/Kita an der Erbringung der Arbeitsleistung verhindert ist. Da es sich bei der Frage, was unter „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ zu verstehen ist – zusammengefasst – um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt, kann deshalb keine eindeutige bzw. starre Zeitspanne angegeben werden. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass diese Fragestellung möglicherweise erst durch gerichtliche Entscheidungen geklärt wird.

Praxistipp: Etwaige Mitteilungen von AN, die wegen der Schließung von Schule/Kita an der Erbringung der Arbeitsleistung gehindert sind, sollten daher dokumentiert werden und es sollte vom AG gefragt werden, für welchen Zeitraum diese Verhinderung nach Ansicht des AN gegeben ist; auch solche Mitteilungen sollten beweissicher dokumentiert werden. Rein mündliche Korrespondenz sollte vermieden werden.

Anmerkung: Sollte sich der AG unabhängig von einer etwaigen Pflicht zur Bezahlung entschließen, Vergütung freiwillig zu zahlen, erscheint es ratsam, die Einzelheiten beweissicher zu dokumentieren, insbesondere betreffend die Dauer.

d. Zu der Frage: „Habe ich einen Anspruch auf mein Entgelt, wenn sich die behördliche Infektionsschutzmaßnahme gegen mich wendet?“ Auch hier wird seitens des BMAS wieder auf § 616 BGB abgestellt. Es wird insoweit auf die o. g. Ausführungen Bezug genommen; insoweit sind wir der Ansicht, dass abgesehen von tarifvertraglichen Regelungen, z. B. zum Aufsuchen eines Arztes, die a-vero-Tarifverträge keine Regelung zu behördlich angeordneter Quarantäne enthalten.

3. Weitere, allgemeine Anmerkungen: Keine Besonderheiten gelten, wenn der AN selbst erkrankt ist, vgl. insoweit auch die Fragestellung „was passiert, wenn ich an COVID-19 erkrankt bin?“.

a. „Drohung mit einem gelben Schein“ Soweit jedoch z. B. vom AN begehrte und vom AG verweigerte Homeoffice-Arbeit abgelehnt werden sollte und der AN dann ggf. „androht“, sich „einen gelben Schein“ zu holen, sollte dieses Geschehen – optimalerweise inkl. des genauen Wortlautes – dokumentiert werden.

b. Weitere arbeitsrechtliche Fragestellungen Weitere arbeitsrechtlich relevante Fragestellungen sind in einer Informationsbroschüre der BDA dargestellt, die erst kürzlich aktualisiert wurde (Stand 13.3.2020). Diese übersenden wir im Anhang zu dieser Mail.

c. Themenkomplex „Kurzarbeit“ Wie bereits obenstehend dargestellt, werden wir auf den Themenkomplex „Kurzarbeit“ mit gesonderter Mail eingehen. Da es sich hierbei um eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme handelt, sollte in Erwägung gezogen werden, rechtzeitig/frühzeitig mit dem Betriebsrat in Kontakt zu treten.

Der Text wurde verfasst von Hendrik Wiehe. Gerne steht Ihnen die Geschäftsstelle für Fragen und Ergänzungen zur Verfügung.

Hendrik Wiehe, E-Mail: hendrik.wiehe@vero-baustoffe.de
Weitere Informationen finden Sie in dem BDA-Leitfaden "Arbeitsrechtliche Folgen einer Pandemie" (PDF).